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Wie man Geweih, Horn und Knochen in Antike und Mittelalter verwendet hat.

Gegenstände aus Knochen, Geweih und Bein sind so alt wie die Menschheit selbst, denn dieses Rohmaterial war überall und in großen Mengen erhältlich, vielfältig verwendbar und leicht zu verarbeiten.

Schon in der ältesten Steinzeit gebrauchten die frühen Menschen Knochen und Horn, um daraus einfache Gebrauchsgegenstände und Werkzeuge wir Pfrieme und Spatel zu fertigen. Im Verlauf der Steinzeit wurden schließlich auch Messer, Speer- und Harpunenspitzen aus Horn gearbeitet, sowie Nähnadeln und Angelhaken.

Solche Gegenstände aus Geweih, Knochen und Horn waren die ganze Antike über bei Kelten, Römern, Germanen, Slawen und Wikingern bis in das späte Mittelalter und die Renaissance weit verbreitet und überall in Europa in Gebrauch. Besonders Geweih kann man gewissermaßen als das Plastik des Altertums ansehen, denn es ist nicht so spröde wie Knochen und lässt sich ausgesprochen vielfältig verwenden.

Aus der Zeit der Kelten und Römer sind zum Beispiel viele Messergriffe aus Knochen überliefert, die zumeist mit dekorativen Ritzungen und Kreisaugenverzierungen versehen waren. Auch schön verzierte Beinkämme, Gewandnadeln und Haarnadeln mit fein geschnitzten Köpfen, sowie Knebel, Spinnwirtel und Nähnadeln aus Geweih und Knochen gehörten in dieser Zeit zum Alltag.

Neben Haarnadeln trugen die römischen Frauen auch Haarkämme aus Knochen um ihre aufwändigen Frisuren in Form zu halten. Diese Knochenkämme konnten zwei oder mehrere Zinken haben .
Eine spezielle Form der Knochennadel war der sogenannte Stylus, mit dem seit der Zeit der Römer bis in das Mittelalter auf Bienenwachstafeln geschrieben wurde. An einem Ende war der Stylus angespitzt oder sogar mit einer Metallspitze versehen, am anderen Ende war er abgeflacht, so dass man das geschriebene wieder löschen konnte.

Besondere Bedeutung kommt auch der Gewandnadel zu, die auf Lateinisch „Fibula“ genannt wird. Unter Fibula versteht man noch heute den Wadenbeinknochen des Unterschenkels bei Wirbeltieren. Aus der Fibula wurden ursprünglich solche Nadeln gefertigt.
Doch selbst als diese Nadeln nicht mehr aus Knochen, sondern Metall gefertigt wurden und sich zu regelrechte Broschen gewandelt hatten, blieb der Name Fibula bis weit in das Mittelalter erhalten.

Bei den alamannischen Germanen war es üblich kleine, kolbenförmige Anhänger aus Geweih oder Knochen am Gewand zu tragen, die hübsch mit umlaufenden Rillen und Kreisaugenverzierungen dekoriert waren und den Namen Donarskeule trugen – vermutlich kam ihnen eine schutzmagische Bedeutung zu.

Daneben gab es in allen Kulturen auch kleine Miniatur-Artefakte aus Knochen und Geweih, sogenannte Votivgaben, die als Opfergabe die Götter milde stimmen und für das jeweilige Anliegen einnehmen sollten.

Auch Würfel aus Knochen waren durch alle Zeiten verbreitet. Diese konnten bei Kelten, Römern und Germanen den heutigen kubischen Würfeln entsprechen, es gab aber auch ungewöhnliche, länglichen Würfel.
Die Anordnung der Zahlen war im Altertum jedoch im Gegensatz zu heute, wo die auf dem Würfel gegenüberliegenden Zahlen immer die Zahl sieben ergeben, nicht einheitlich und konnte sehr variieren.

Auch bei den Wikingern waren neben kubischen Würfeln aus Knochen und Geweih noch rechteckige Formen bekannt, bis sich im späten Mittelalter schließlich die rein kubische Form, der heutige klassische Würfel, durchsetzte.

Neben Würfeln wurden im Altertum natürlich auch Spielsteine aus Knochen und Geweih gefertigt, denn bereits bei den Römern waren Brettspiele wie das Mühlspiel, Backgammon und Alquerque bekannt.

Bei den Wikingern war das heute fast vergessene Tablut- oder Hnefatafl-Spiel sehr beliebt und im Mittelalter verbreitete sich schließlich das Schachspiel. Berühmtheit erlangten hier die aus Walbein gearbeiteten Schachfiguren von Lewis, die ein einmaliges Zeugnis mittelalterlicher Handwerkskunst darstellen.

Bei den Nordeuropäern waren sogenannte Schlittknochen verbreitet, die aus dem Mittelfuß-Knochen (Metatarsus) von Rind oder Pferd gefertigt waren, und die man als Kufen unter Lasten legte um diese besser ziehen zu können.

Der Schienbeinknochen des Schweins wurde hingegen als eine Art Schlittschuh oder Eisgleiter verwendet. Besonders im tiefen Winter, wenn Straßen und Wege verschneit und unpassierbar waren, ließ sich auf den vereisten Wasserwegen mit solchen Kufen aus Knochen schnell und komfortabel vorwärtskommen

Der Knochen wurde einfach auf der Unterseite flach geschliffen und poliert und anschließend mit zwei Löchern für Lederriemen versehen, die man sich um den Schuh band und die Schlittschuhe so befestigte.
Man spricht übrigens auch heute noch vom Eisbein, auf Norwegisch „islegg“, und meint damit eine deftige Mahlzeit – der Ursprung des Namens stammt jedoch von seiner Verwendung als Schlittschuh.

Mit vier Löchern versehene, dünne Plättchen aus Geweih und Knochen wurden auch für die bei Germanen, Slawen und Wikingern gern betriebene Brettchenweberei verwendet mit der man gemusterte Borten für die Gewandung herstellte.

Für die Verarbeitung von Wolle wurden an einem Holzstäbchen sogenannte Spinnwirtel aufgesteckt, wodurch man die Spindel zum Rotieren bringen und die Wolle, je nach Geschick, zu einem gröberen oder feineren Faden ausspinnen konnte. Diese scheibenförmigen Spinnwirtel waren häufig aus Geweih oder Knochen gefertigt und mit umlaufenden Linien und Kreisaugenverzierungen dekoriert.

Ein besonders weites Verbreitungsgebiet fanden Kämme aus Geweih und Knochen, die seit der Antike überall in Europa verbreitet waren. Diese Kämme waren aus einem größeren Knochenstück gefertigt oder mehreren Stücken zusammen gesetzt. Die Knochenkämme waren oft auf einer Seite mit groben und auf der anderen Seite mit feinen Zinken versehen.

So dienten sie sowohl zum Kämmen als auch zum Entlausen – denn vor Läuse war im Altertum keiner gefeit, ob reich oder arm.
Bis zum Mittelalter wurde für Kämme nahezu ausschließlich Geweih verarbeitet, da sich hieraus sehr feine und dennoch stabile Zinken herausarbeiten ließen. Zum Schutz der Zinken gab es dabei regelrechte Kammfutterale, die direkt auf den Kamm gesteckt wurden und die Zinken so schützten.

Neben den einfachen Geweihkämmen aus einem einzigen Stück waren bei und Slawen, Wikingern auch sogenannte Dreilagenkämme sehr oft anzutreffen. Bei den Dreilagenkämmen waren die Zinken aus mehreren Geweihplättchen zusammengesetzt und wurden von zwei, zumeist mit Linien und Kreisaugen verzierten, Leisten zusammengehalten.
Waren die Kämme im frühen und hohen Mittelalter zumeist reich verziert, so traten ab dem 13. Jahrhundert fast nur noch unverzierte Kämme auf. Vielleicht, weil sich der jetzt zunehmend für Kämme gebrauchte Knochen nicht mehr ganz so gut für Verzierungen eignete.

Darüber hinaus gab es den sogenannte Langzinkenkamm, auch Steilkamm genannt, der sehr schmal und lang war und sich nicht so recht zum Kämmen eignet.
Solche Steilkämme wurden vielleicht als Flachsriffel oder als Wollkamm benutzt; vermutlich fanden sie aber hauptsächlich als Steckkämme für weibliche Hochfrisuren Verwendung. Dieser Schluss liegt nahe, da solche Langzinkenkämme fast nie im ländlichen Bereich auftreten, sich aber sehr häufig im Fundmaterial von Burgen und Städten finden.

Aus der Wikinger-Zeit finden sich viele spatelförmige Löffel aus Geweih und Knochen, die vermutlich weniger zum Essen, sondern eher zum Portionieren gebraucht wurden. Doch es sind gegen Ende der Wikinger-Zeit auch sehr schöne und üppig verzierte Löffel aus Geweih gefunden worden, die man zum Essen gebrauchte. Diese waren jedoch sehr flach und wurden eher für Brei und Grütze verwendete, Suppen trank man hingegen direkt aus der Schale.

Auch Nadeldosen aus Knochen waren bei Slawen und Wikingern verbreitet, dünne Röhrchen aus Knochen, die am Gewand befestigt waren und in denen die kostbaren Nähnadeln sicher verwahrt wurden. Daneben gab es Geweihbehälter, die man als Salzbehälter interpretiert, und die oft sehr schön verziert waren.

Aus hohlen Knochen wurden im Altertum gern auch Knochenflöten gefertigt. Da für diese häufig der Schienbeinknochen von Wirbeltieren verwendet wurde -  lat.: Tibia -, bürgerte sich in römischer Zeit der Name Tibia für Flöten im Allgemeinen ein. Knochenflöten wurden dabei häufig aus Knochen von Schaf oder Ziege gefertigt, aber auch Flöten aus Knochen von Gänsen und Schwänen sind belegt.

Waren noch bei Germanen und Wikingern hohle Knochen-Röhren als Griff für Messer verbreitet, die direkt auf die Angel des Messers geschoben wurden, so waren im späten Mittelalter und der Renaissance Griffplatten von Messern aus Horn oder Knochen üblich, die man seitlich am Messergriff aufnietete.

Doch nicht nur Knochen und Geweih wurde im Mittelalter verarbeitet, auch Walbein, Walrossknochen und der Stoßzahn des Narwals konnten als Arbeitsmaterial dienen.
Kostbare Zeugnisse der Verarbeitung von Walrossbein stellen die kunstvoll gearbeiteten Schreine von Cammin und Bamberg dar, die vollständig aus diesem Material gearbeitet und herrlich beschnitzt waren.

Bis ins hohe Mittelalter waren viele Gegenstände des täglichen Lebens aus Geweih gefertigt, denn dieses ließ sich erstklassig verarbeiten und besaß optimale Eigenschaften. Doch seit Beginn des Hochmittelalters wurden vermehrt Knochen für dieselben Gegenstände verwendet, obgleich dieser weniger optimale Eigenschaften hatte. Vermutlich hing dies mit der im Verlauf des Mittelalters zunehmenden Herstellung von Armbrüsten zusammen, bei denen große Mengen an Geweih verarbeitet wurden, so dass dieses Material nicht mehr in ausreichendem Maße für andere Arbeiten zu Verfügung stand.

Verfasst von Peer Carstens, Dippoldiswalde 2013

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